Das Lied von der Dorflinde zu Lischeid


Schier tausend Jahre bist du alt, du traute, liebe Linde,
hast mancherlei gesehn, gehört -, umbraust von Sturm und Winde.
Du blicktest in der Zeiten Lauf -, sahst Menschen kommen, gehn.
Du hörtest viel der Freude Sang -, doch auch der Schmerzen Wehn.

Du sahst sie all, die Kindlein klein, die man zur Taufe trug.
Damit sie Christi Jünger sein - mit vollem Recht und Fug.
Du hörtest in dem Abendschein, wie Kinder dich umspielten;
Du sahst der Tänzer frohe Reihn, die sich umschlungen hielten.

Dann trugen sie die Kronen rein an dir vorbei am höchsten Tag,
und kämpften nun des Lebens Kampf in Freude wie in Schmach.
Du lauschtet auf den weisen Rat, den hier die Alten hielten;
Du hörtest ernsten Urteilsspruch von Männern, die das Recht hochhielten.

Bis endlich tönt der Glocke Klang im ernsten Grabgesang;
An dir vorbei sahst du sie ziehn so stumm, so schwer und bang.
Doch wusstest du jahraus, jahrein vom Welken und Vergehn,
und auch vom Frühlingssonnenschein, vom Ostern-Auferstehn.

So lebe du noch fort und fort bis in die fernsten Zeiten!
Wer dich bedroht mit Tod und Mord wird selber Spott erleiden.
Du alte, liebe Linde mein, ich grüße dich beim Abendrod,
Umrausch auch mir das Leben fein, bis Gott mich führt durch Nacht und Tod.